I got life oder ICH 1

Veröffentlicht: 12. August 2013 in Gedanken
Schlagwörter:, ,

Ich habe in einer Kommentarantwort vor einiger Zeit schon mal darüber nachgedacht mir mein „ICH“ von der Seele zu schreiben. So richtig weiß ich noch nicht wie das geht, was da kommt, wie weit ich mich mir und meinen Lesern öffne.

Eines aber, Musik ist für mich die Fortsetzung sprachlicher Kommunikation (hört sich gut an 😉 ). Musik erzeugt bei aller Sachlichkeit Emotionen. Alle Themen die ich zu meiner Person schreibe, werde ich mit dem Titel (wenigstens) eines für mich wichtigen Songs verbinden.

Und damit fängt es schon an – wenn ich über mich schreibe habe ich nur die Möglichkeit mich selbst zu belügen oder ich muss mich dem stellen was da in die Tasten fließt. Es wird kein chronologisches Aufzählen. Ich hab mich dazu entschlossen ein Thema das mir wichtig ist in den Mittelpunkt der jeweiligen Posts zu stellen.

I got life – ein Song aus Hair, ein für mich wichtiger Song. Berger tanzt auf dem Tisch einer vornehmen Partygesellschaft und singt dabei diesen Song. Der Song erzählt eigentlich nur davon, dass er der Hippie, der so anders ist wie die Gäste dieser Party in Wahrheit genauso ist wie sie.

Ich bin lange Jahre rumgelaufen wie ein kleiner Hippie, mit meinen Freunden habe ich ein bisschen dieser Zeit nachgetrauert und dabei haben wir lange nicht gemerkt wie spannend unsere eigene Jugend war. Ich meine, wann waren so viele Menschen in West-Deutschland auf  der Straße wie in den 80er. Pershings, Anti-Atomkraft, Volkszählung. Auch ich hatte meine Standpunkte. Mein Vater konnte es nicht verstehen, dass ich den Kriegsdienst verweigert habe und dass in einer Zeit in der man noch zur mündlichen „Gewissensprüfung“ musste. Wir hatten Krach und irgendwann, als er registriert hat, dass es wirklich mein Entschluss war, dass ich das ohne fremde Hilfe durchgezogen hab, da hat er es akzeptiert und später hatte er sogar Respekt für diese Entscheidung. Ich habe ihm damals bewiesen, wie selbstständig ich mit meinen 18 Jahren schon war. Selbstständig im Denken und im Handeln.

Noch heute frage ich mich, was die Eltern meiner Freunde und Freundinnen so an mir fanden. Ich habe sehr oft die Rückmeldung bekommen, dass ich bei denen sehr beliebt war. Ich war aber langhaarig, hasste Duschen und hab wahrscheinlich gestunken wie ein  ganzer Fuchsbau. Flecken auf‘m T-Shirt hab ich erst bemerkt wenn mich fünf andere darauf hingewiesen haben. Ich erinnere mich aber, dass ich oft ganz schön Schiss hatte meine Meinung zu vertreten.
Ab und zu ist mein Vater in ne Kneipe zum Stammtisch. Als ich den Führerschein hatte, habe ich ihn meistens abgeholt, das war ein Deal zwischen uns. Ich hatte sein Auto und er wusste dafür, dass er nach Hause kommt. Oft bin ich noch eine Weile bei ihm gesessen in dieser Kneipe. In den Unterhaltungen der Männer wurden immer wieder Parolen geschmettert. Vom „an die Wand stellen“, von „Ehre“ und was weiß ich noch allem wurde in diesen biergeschwängerten, angetrunkenen Männerrunden geredet.

Dazwischen ich – der langhaarige Jüngling – konnte ich meinen Vater blamieren, konnte ich wirklich aufmüpfig wiedersprechen? Ich denke ich hatte ganz schön die Hosen voll. Warum? Ich weiß es selbst nicht. Eines Abends hat mich die Wirtin der Kneipe dann direkt auf meine Meinung angesprochen. Es ging um irgendeinen Menschen aus der RAF der grade verhaftet wurde. Damals habe ich fasst flüsternd gesagt – genauso wenig wie dieser Terrorist das  Recht hat andere umzubringen, genauso wenig haben wir das Recht diesen Terroristen umzubringen. Und wenn wir wirklich besser sein wollen wie dieser Terrorist, dann müssen wir dafür sorgen, dass der Prozess fair und rechtsstaatlich abläuft. Dieser leise Einwand, dieser vorsichtige Hinweis darauf, dass über einen Menschen geredet wird und nicht über ein abstraktes Monster, dass der Terrorist Eltern hat, Rechte hat. Meine zitternde Stimme, die aber von dem überzeugt war (und immer noch ist), hat eine Grabesruhe an diesem Stammtisch ausgelöst.

Auf der Heimfahrt hat mein Vater geweint – das hat er oft wenn er was getrunken hatte und stolz auf seine Kinder war.

Ich habe begriffen wie wichtig es ist eine Meinung zu vertreten, aber manches Mal hab ich davor auch Schiss. Ich weiß wie wichtig es ist die Menschlichkeit nicht zu vergessen.

Kommentare
  1. Wunderbar! Der Text und der Filmausschnitt.

  2. gitti sagt:

    ….auch du denkst wohl zur zeit sehr viel an vergangenes….
    lg

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..