Der Umschlag auf der Theke

Veröffentlicht: 11. Mai 2021 in Gedanken, Leben
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Die Schattentänzerin hat mich im Kommentar zu den Arschlochtagen gefragt wie ich mit dem Professionellen in der Beziehung zu Frau Sinnlich umgehe. Ob es mir gelingt das zu beantworten, werden die folgenden Zeilen zeigen. Ich bin nicht besonders gut darin meine Emotionen strukturiert aufzuschreiben.
Es fühlt sich aber so an, als wäre es an der Zeit die wunderbare Welt der Frau Sinnlich und des Herrn 64er mal in ein paar Worte zu fassen.

Seit Frau Sinnlich mich bei mir zuhause besucht, hat sich unser ohnehin schon sehr inniges Verhältnis weiter vertieft. Gerade das ist wichtig. Unser Verhältnis war von Anfang an ein Besonderes im Umgang zwischen Prostituierter und Freier oder wie ich es mal ausgedrückt habe, zwischen Therapeutin und Patient.
Leider erzeugen viele Begriffe rund um die Sexarbeit in Menschen Bilder oder führen zu einem beklemmenden Gefühl. Das liegt vielfach an unserer Sozialisation was den generellen Umgang mit Sexualität angeht, das liegt an der Theorie des ausgebeuteten Wesens, das liegt an der damit vermeintlich verbundenen Kriminalität, das liegt an der Stigmatisierung der Menschen die professionell Sex anbieten, das liegt an Unwissenheit, Vorurteilen, Arroganz, Ignoranz und vor allem an jeder Menge Angst vor dem Tier in uns (in diesem Zusammenhang empfehle ich den Podcast „Geliebte auf Zeit“).

Zurück zu meinen Gedanken. Am Anfang traf ich Frau Sinnlich in dem Etablisement in dem sie neben anderen Frauen ihre Dienstleistung anbot. Wobei, ich ertappe mich grade, wie doch das Zeitgefühl einem einen Streich spielen kann. Bis Februar 2020 trafen wir uns über Jahre ausschließlich dort. Mal waren die Zeiträume zwischen den Dates länger, mal kürzer. Doch irgendwann hat sich in den Zeiträumen zwischen zwei Treffen mein Herz nach ihr gesehnt, hat mir ihre Nähe gefehlt, habe ich mir den Menschen an meine Seite gewünscht, habe ich davon geträumt wie Frau und Mann Seite an Seite das Leben erleben.

Immer öfter habe ich gespürt, dass auch ihr der Abschied nicht leicht fällt. Häufig stand sie an der Treppe in der offenen Tür und hat mir nachgesehen bis ich nicht mehr zu sehen war. Immer hat sie mich freudig angelächelt wenn ich in der Lounge auf sie gewartet hatte und sie einen anderen Gast zur Tür brachte.

Als mein Umzug näher rückte und ich die Feier zur Rückkehr an den Rhein plante, da war es selbstverständlich, nein es war mir ein Bedürfnis, dass ich sie eingeladen habe zur Einweihungsparty. Ich hatte die leise Hoffnung…, allerdings war mir bewusst, die Chance, dass sie kommen würde war klein. Immerhin war sie bereits einmal Opfer eines übergriffigen Mannes, der ihr im Privaten nachstellte und sie in ihrer Nachbarschaft geoutet hat und mit Halbwahrheiten zum Umzug gezwungen hat. Wir kannten uns damals schon und in dem halben Jahr ohne Frau Sinnlich habe ich sie vermisst.
Die Einladung war meine Art ihr zu zeigen welchen Stellenwert sie in meinem Leben hat.

An dieser Stelle ein Einschub.
Passt das alles zu den ganzen Erzählungen über Frau Sonnenschein, Frau Frechdachs, …?
Ja!
Ich fühle intensiv, exklusiv und doch nicht isoliert. Das heißt die Empfindungen die in mir sind, was ich für diese Frauen empfinde sind unglaublich intensiv. Sie sind unvergleichbar und deshalb exklusiv, ich fühle für jede dieser Frauen eine intensive Liebe und weil dieses Gefühl so sehr vom Individuum ausgeht, spüre ich Einzigartiges.
Ich habe es satt solches zu verbergen, ich mag mich nicht mehr selbst belügen oder anderen etwas vormachen, genau deshalb schreibe ich „ich fühle nicht isoliert“.
Manches Mal fürchte ich mich vor dem Tag an dem eine Frau mich berührt, Leben mit mir intensiver teilen würde, jedoch darauf besteht die Einzige zu sein.

Im Februar 2020 hat eine innere Verzweiflung eingesetzt. Beruflich habe ich mit China zu tun und hatte daher schon bald Einblicke und Ahnungen zu dem was Corona für Auswirkungen haben wird. Mir war klar, die Beziehung zwischen Frau Sinnlich und mir kann nicht mehr so weiter funktionieren wie bisher. Ich war mir sicher, dass Paysex, zumal ohne Lobby, in Quarantänebestimmungen sofort verboten wird.
Ehrlich gesagt, ich wusste nicht wie ich ohne Frau Sinnlich den ganzen Zirkus meistern kann. Gleichzeitig verliebte sich Frau Sonnenschein…

Frau Sinnlich war es, die die Sonne wieder aufgehen ließ. Einigen „ihrer Kerle“ hat sie genug vertraut um diese zuhause zu besuchen. Für mich war das eine regelrechte Erlösung! Welche wirtschaftlichen Überlegungen Frau Sinnlich mit diesen Angeboten verbunden hat ist mir ehrlich gesagt scheißegal und JA ich bin mir bewusst, dass ich damit seither gegen die Regeln verstoße.

Seit März 2020 klingelt es immer öfter an meiner Tür, leckeres Essen steht auf dem Tisch, eine traumhafte Frau zaubert Glück in einen Mann der sich wünscht die Zeit möge einfach stehen bleiben.

An diesem ersten Abend bei mir zuhause hat sich unsere Beziehung verändert. Davor hatte ich manchmal getrauert, weil der Ort an dem wir uns trafen, obwohl es gemütlich war und geschmackvoll eingerichtet ist, immer eine gewisse Distanz in der Nähe erzeugt hat. Es ist schwer zu beschreiben, vielleicht können die weiteren Zeilen ein wenig erklären was ich meine.

Immer seit diesem Freitag im März 2020 liegt ein Umschlag auf der Theke meiner Küche. Darin, eine Karte, handschriftlich beschrieben erzähle ich von meinen Gedanken und Gefühlen und darin, ihr Honorar. Seit April 2020 steht ein anderer Vorname auf dem Umschlag.
Ihr Vorname.
Es war eines der schönsten Geschenke das sie mir machen konnte, als sie mich küsste und mir gesagt hat:
„Ich würde mich freuen, wenn Du … zu mir sagst, weil so heiße ich wirklich, das bin ich.“

Mittlerweile weiß ich so viel mehr von ihr, über sie…

Und doch ist neben der Karte Geld in dem Umschlag.

Tja, wird das wohl immer so bleiben? Ist das für die Qualität der Begegnungen wichtig? Verändert es den Wert unserer Beziehung? Beeinträchtigt es Wahrhaftigkeit?

Ich grüble manches mal über solche Fragen, ja es gibt Momente in denen mir der finanzielle Aspekt in unserer Beziehung Angst macht.

Doch es überwiegt das Erleben!

Tage vor unserem nächsten Date, mache ich mir Gedanken wie ich sie überraschen kann, was ich koche, was ich anziehe, welche Musik läuft wenn sie kommt. Ich nehme mir Zeit für die Vorbereitungen, ich wünsche mir, dass sie sich einfach geborgen fühlt, dass sie sich wohl fühlt. Mal überrasche ich sie mit einem Strauß, mal gibt es noch einen süßen Nachtisch, mal bereite ich unsere erotischen Momente speziell vor, ein anderes Mal besorge ich duftendes Öl für sinnliche Massagen.
Dann geht die Tür auf, mal überrascht sie mich mit ihrer Kleidung, mal sinnlich, mal rattenscharf, mal elegant, mal wunderschön alltäglich. Dann hat sie extra für unseren Abend eine eigene Playlist vorbereitet. Ihre Ideen und Vorbereitungen für die sinnlichen Zeiten unserer Dates sind oft atemberaubend.
Immer stehen wir beide im Mittelpunkt, kein Handy, keine Ablenkung. Wir essen, wir vögeln, wir verwöhnen uns, wir reden über uns, unsere Gefühle unsere Freuden und Sorgen. Wir erzählen aus unseren Leben.
Wir erleben eine unglaublich intensive Zeit. Nur sie und ich, nur wir!

Eines ist sicher – das alles, dieses Glück das ich mit ihr erleben durfte, kann mir niemand nehmen und wird immer zu den Highlights meines Lebens gehören.

Heute erst; ich hab an sie gedacht, spontan eine WhatsApp geschrieben (was ich nur ganz selten mache), beim Schreiben gesehen, dass sie grade auch schreibt. Sekunden später winken sich zwei Nachrichten im elektronischen Vorbeirauschen zu, beide Handys, ihres und meines zeigen kleine Glücksbringer auf dem Display.

Manchmal, montags spricht mich Frau Sonnenschein an: „Du hast am Wochenende Frau Sinnlich gesehen!“
Ich strahle unglaubliches Glück aus, fühle tiefeZufriedenheit und habe dieses glückliche Lächeln im Gesicht.

Das will ich fest halten, das ist mir WERTvoll, darauf freue ich mich jedes mal aufs Neue.


Come away with me in the night
Come away with me
And I will write you a songCome away with me on a bus
Come away where they can’t tempt us, with their liesAnd I want to walk with you
On a cloudy day
In fields where the yellow grass grows knee-high
So won’t you try to comeCome away with me and we’ll kiss
On a mountaintop
Come away with me
And I’ll never stop loving youAnd I want to wake up with the rain
Falling on a tin roof
While I’m safe there in your arms
So all I ask is for you
To come away with me in the night
Come away with me
©Norah Jones
Kommentare
  1. Hab vielen Dank für diesen Beitrag! Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass eine Person, zu der man eine intensive, aber dennoch professionelle Beziehung hat, so eine starke – auch emotionale – Bedeutung entwickeln kann. (Und natürlich gilt das auch umgekehrt, vom „Profi“ zum Klienten.) Ich denke dabei beispielsweise an „echte“ Therapeut*innen oder auch Ärzt*innen, wobei es ja gerade in diesen Berufen eine Berufsordnung gibt, die private Kontakt verbietet, eben weil das eine heikle und störanfällige Angelegenheit ist.

    Aus diesem Grund erschien mir die Konstellation, die dich mit Frau Sinnlich verbindet, umso komplexer, weil hier die „professionelle Beziehung“ ja gerade in einer unglaublichen Intimität und Nähe besteht. Dass Frau Sinnlich es wert ist, dass du unglaublich viel aus dieser Beziehung ziehst, daran hatte ich auch vorher schon keine Sekunde gezweifelt. Ich versuche mich nur immer wieder umgekehrt in diese Rollenverteilung einzufühlen, und ich glaube, ich liefe Gefahr, mich in einen Mann, der mir gegen Geld derart wundervolle Dienstleistungen anbietet, rettungslos zu verlieben. Spätestens dann würde es vermutlich kompliziert.

    Oder vielleicht auch nicht. Am Ende hinge wohl alles davon ab, ob ich die Gegebenheiten so akzeptieren könnte, wie sie nun einmal sind, ohne die Sehnsucht zu entwickeln, dass aus der professionellen eine „echte“ Beziehung würde. Und vielleicht würde mir der Gedanke helfen, dass gerade das traumhaft Schöne auch auf der Professionalität der Beziehung beruht. Kein Liebhaber könnte im Alltag immer so aufmerksam, so zugewandt, so präsent sein. Ja, je länger ich darüber nachdenke, umso mehr lebt das Ganze vielleicht auch von dem Kontext, der durch die Professionalität entsteht. Vielleicht liegt gerade darin das Kostbare und uneingeschränkt Beglückende. Echte Partnerschaften sind ja keineswegs immer nur der Himmel auf Erden. 😉

    Insofern wünsche ich dir von ganzem Herzen noch viele beglückende und heilsame Stunden mit Frau Sinnlich und danke dir sehr für deine Offenheit!

    • 64er sagt:

      Naja, ich kann mir schon vorstellen, quatsch ich würde nen Luftsprung machen, wenn aus der professionellen Beziehung mit Frau Sinnlich eine Partnerschaft, eine Paarbeziehung entsteht.

      Doch… Ich glaube ich habe etwas sehr wichtiges in dieser Zeit gelernt.
      Nehmt Euch Zeit füreinander, plant diese Zeit, legt das Handy weg und verwöhnt Euch ganz bewusst. Schreibt Euch diesen Tag in den Kalender, ritualisiert das. Dabei geht es nicht darum auf Kommando Sex zu haben. Es geht darum, dass man sich selbst die Prioritäten im Leben klar macht.
      Ich habe im letzten Jahr ein einziges Date mit Frau Sinnlich abgesagt. Ich fühlte mich kränklich, hatte ein Kratzen im Hals. Weil mir das Risiko zu groß war, sie mit irgendeinem Erreger zu infizieren habe ich unser Date verschoben. Alles andere schiebe ich weg wenn das Date vereinbart ist. Das ist mir wichtig aus Respekt vor mir, vor ihr, vor unserer Beziehung (die Anführungszeichen habe ich ganz bewusst weggelassen).

      Das können, nein das sollten Paare leben.

      Dann leidet die Partnerschaft auch nicht mehr unter den Langweiligkeiten, Belanglosigkeiten und Verletzungen im Alltag.

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