Vor ein paar Tagen, an der Kasse beim Discounter. Ich stellte mich am Band an, bewunderte die Geschwindigkeit mit der dort gearbeitet wird. Da ruft die Kassiererin, dass nach mir geschlossen wird. Jetzt erst nehme ich sie wahr, bemerke das Gesicht, kann nicht anders als sie zu beobachten, muss mich beherrschen sie nicht regelrecht anzustarren. Ist das…, nein das ist nicht möglich, sie ist Miryam aus dem Gesicht geschnitten. Flashback in meine Schulzeit, déjà vu an ein Klassentreffen.
Der Kunde vor mir hat das Band bis hinten belegt. Sie benötigt lange, ein übervoller Einkaufswagen steht am Kassentisch. Dann ist es so weit, gleich bin ich dran. Der ältere Herr kommt mit der Kartenzahlung nicht so richtig klar – wie schön. Ich beobachte sie, das Gesicht, sie schaut mich an, lächelt. Ist sie verlegen?
Meine Ware ist an der Reihe, ihre Kasse piepst bei jedem Artikel. Ich lächle, beobachte die Mimik der jungen Frau, ihre Bewegungen. Zwanzig, maximal fünfundzwanzig Jahre… Dieselben Lippen, der Kurzhaarschnitt, verstohlen mustere ich mit roten Ohren ihren Oberkörper – nichts, nichts Sichtbares.
Sie nennt den Betrag, wieder lächle ich ihr ins Gesicht. Dann fasse ich mir ein Herz, während ich mit der Karte bezahle frage ich sie einfach:
„Sagen sie, heißt ihre Mutter Miryam?“
Wieder dieses leicht verlegene, fast schüchterne Lächeln.
„Wieso fragen sie?“
Ich hatte vorher die Wärme in ihrer Stimme nicht wahrgenommen. Könnte schmelzen.
„Sie erinnern mich an eine Miryam, vor langer Zeit, weit weg von hier.“
„Das hört sich schön an wie sie das sagen, aber nein ich kenne niemand der Miryam heißt, auch nicht meine Mutter.“
„Schade, aber vielleicht ist es auch ganz gut so. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Abend, hoffentlich ist bald Schluss…“
„Danke, Ihnen auch…“
Als ich im Auto sitze, hole ich noch einmal tief Luft. Denke darüber nach wie es gewesen wäre wenn Sie mir gesagt hätte, ich solle doch auf sie warten. Was wäre gewesen, wenn ich ihr von Miryam erzählt hätte. Was hätte sie mir wohl von ihrem Leben erzählt.
Jetzte sollte Sommer sein, der Sommer 81 oder der Sommer 99…
Wenn ich das nächste Mal eins meiner Kinder nach Hause bringe, gehe ich wieder dort einkaufen! Ein zweiter Eindruck, ein zweiter Flashback…
Ein weiteres Lächeln – vielleicht schenke ich ihr dann Blumen…